Millionen Bürger zahlen eine Abgabe – dabei ist sie in Deutschland freiwillig

Jeden Monat verschwindet still Geld vom Gehalt – und kaum jemand fragt nach. Dabei ist die Kirchensteuer keine Pflicht, sondern eine Entscheidung. Wer Mitglied bleibt, zahlt. Wer austritt, spart. Und trotzdem halten Millionen Deutsche daran fest – aus Überzeugung, Gewohnheit oder schlicht Unwissen.

Was steckt eigentlich hinter der Kirchensteuer?

Die Kirchensteuer gehört zu den ältesten Finanzquellen der Glaubensgemeinschaften – und sorgt bis heute für Diskussionen. Das Prinzip dahinter ist denkbar einfach: Wer Mitglied einer Kirche ist, gibt automatisch einen bestimmten Prozentsatz seiner Einkommensteuer ab. Das Finanzamt zieht den Betrag direkt ein und leitet ihn weiter. Für viele läuft das im Hintergrund, ohne dass sie es wirklich bemerken.

Wie hoch die Abgabe ausfällt, hängt vom Bundesland ab. In Bayern und Baden-Württemberg liegt der Beitragssatz bei acht Prozent, im Rest des Landes bei neun. Wer etwa 30.000 Euro brutto im Jahr verdient, zahlt damit zwischen rund 340 und 380 Euro an Kirchensteuer. Eine Summe, die sich über Jahrzehnte schnell auf mehrere Tausend Euro summiert.

Doch was geschieht mit diesem Geld? Mit dem Geld aus der Kirchensteuer werden nicht nur Gottesdienste und Seelsorge finanziert. Auch viele soziale Einrichtungen, die das tägliche Leben bereichern, hängen davon ab – von Kindergärten und Schulen über Krankenhäuser bis hin zu Altenheimen und Hilfsprojekten weltweit. Ohne diese Einnahmen wären viele dieser Angebote kaum zu halten. Für Gläubige ist das oft Grund genug, weiterzuzahlen. Sie sehen ihren Beitrag als Teil einer größeren Verantwortung.

Gleichzeitig wächst die Zahl derer, die sich fragen, ob sie diesen Weg noch mitgehen wollen. Denn in Zeiten schwindenden Vertrauens und sinkender Mitgliederzahlen wird immer mehr über Transparenz, Gerechtigkeit und persönliche Freiheit diskutiert.

Kirchenaustritt: Der Weg aus der Zahlpflicht

Wer die Kirchensteuer nicht mehr zahlen möchte, kann jederzeit austreten. Doch das funktioniert nicht per Brief oder Klick im Internet – es braucht einen offiziellen Schritt. Zuständig ist das Amtsgericht oder, in manchen Bundesländern, auch ein Notar.

Der Ablauf ist überschaubar, aber verbindlich. Zuerst wird online ein Termin vereinbart, dann erscheint man persönlich mit Personalausweis oder Reisepass. Eine einfache Erklärung genügt: „Ich trete aus der Kirche aus.“ Dazu wird eine Verwaltungsgebühr fällig – meist 30 Euro, bar oder per Karte.

Direkt nach dem Termin erhält man eine Austrittsbescheinigung. Das Gericht informiert die zuständige Stadtverwaltung, die wiederum das Finanzamt benachrichtigt. Von diesem Moment an wird keine Kirchensteuer mehr vom Lohn abgezogen.

Wer in Dortmund oder anderen Großstädten wohnt, kennt das Prozedere vielleicht schon: Termine sind oft Wochen im Voraus vergeben, weil der Andrang groß ist. Besonders seit der Corona-Pandemie haben viele Menschen den Schritt vollzogen, teils aus finanziellen Gründen, teils aus Überzeugung.

Der Austritt ist also nicht kompliziert – aber er erfordert Eigeninitiative. Denn solange der offizielle Nachweis fehlt, läuft der Abzug automatisch weiter.

Besonderheiten beim Kirchenaustritt – und typische Stolperfallen

Interessant ist, dass Jugendliche ab 14 Jahren bereits selbst über ihre Religionszugehörigkeit entscheiden dürfen. Sie können die Kirche verlassen – auch gegen den Willen der Eltern. Zwischen 12 und 14 braucht es die Zustimmung der Sorgeberechtigten, unter 12 entscheiden die Eltern allein.

Vorsicht ist bei vermeintlich „praktischen“ Online-Angeboten geboten. Im Netz finden sich zahlreiche Portale, die gegen Gebühr versprechen, den Kirchenaustritt zu übernehmen. Das Amtsgericht Dortmund warnt ausdrücklich davor: Diese Services ersetzen weder die gerichtliche Gebühr noch den persönlichen Termin. Wer sie nutzt, zahlt doppelt – und steht am Ende trotzdem wieder im Amtszimmer.

Ein weiterer Punkt betrifft Mietwagen oder Auslandsaufenthalte – vor allem in Ländern, die eine ähnliche Regelung kennen. Wer dort dauerhaft lebt, muss den Austritt auch im neuen Heimatland erklären, sonst kann die Kirchensteuer unter Umständen weiterlaufen. In Deutschland genügt dagegen der einmalige Gang zum Amtsgericht – eine Rückkehr in die Kirche ist jederzeit möglich, wenn man es sich anders überlegt.

Der Prozess selbst dauert selten länger als 15 Minuten. Doch die Wirkung ist spürbar: Schon im nächsten Monatseinkommen fehlt der bisherige Abzug. Viele berichten von einem merkwürdigen Gefühl – zwischen Erleichterung, Nachdenklichkeit und einem Hauch Wehmut. Denn der Schritt ist mehr als nur finanziell. Er hat oft auch emotionale Bedeutung.

Warum viele trotzdem bleiben – und was die Zukunft bringt

So sehr die Diskussion über die Kirchensteuer an Fahrt aufgenommen hat, so differenziert sind die Gründe, warum Menschen sie weiterhin zahlen. Für viele ist es ein Ausdruck von Zugehörigkeit, ein Zeichen von Kontinuität. Die Kirche war für Generationen ein Ort der Orientierung, des Trosts, der Gemeinschaft. Und viele schätzen nach wie vor die sozialen Strukturen, die sie aufrechterhält.

Hinzu kommt ein Aspekt, den man leicht vergisst: Die Kirchensteuer finanziert nicht nur kirchliche Arbeit im engeren Sinn, sondern auch eine Vielzahl von Hilfs- und Bildungsangeboten. In manchen Regionen übernehmen kirchliche Träger Aufgaben, für die sonst der Staat einspringen müsste. Wer also zahlt, unterstützt indirekt auch gesellschaftliche Stabilität.

Trotzdem wächst die Zahl der Austritte. Laut den jüngsten Erhebungen der Forschungsgruppe Weltanschauung haben sich allein im letzten Jahr über 500.000 Menschen von der Kirche abgemeldet. Die Gründe für einen Kirchenaustritt sind vielfältig – manche wenden sich aus persönlicher Überzeugung ab, andere aus Unzufriedenheit mit den Strukturen. Zugleich bemühen sich viele Gemeinden, das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen: durch mehr Offenheit, klare Kommunikation und Möglichkeiten, sich aktiv einzubringen.

In Zukunft dürfte das Thema weiter an Relevanz gewinnen. Vielleicht wird die Kirchensteuer irgendwann reformiert oder digital verwaltet. Vielleicht entstehen neue Modelle der freiwilligen Unterstützung, jenseits fester Abgaben. Sicher ist: Sie bleibt ein Spiegel der gesellschaftlichen Stimmung – zwischen Tradition, Wandel und individueller Freiheit.

Eine Steuer, die keine sein muss

Am Ende ist die Kirchensteuer ein Sonderfall im deutschen Abgabensystem – rechtlich freiwillig, emotional oft bindend. Sie steht für mehr als nur Geld. Sie berührt Fragen nach Identität, Zugehörigkeit und Werten. Wer sie zahlt, leistet einen Beitrag zum Gemeinwesen. Wer austritt, entscheidet sich bewusst dagegen – und gewinnt finanzielle Freiheit.

Beide Wege sind legitim. Wichtig ist, sie bewusst zu wählen. Denn wie so oft im Leben gilt: Nur wer versteht, wohin sein Geld fließt, kann entscheiden, ob es dort richtig liegt.

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